Mahler Forum

for Music
and Society

für Musik
und Gesellschaft

Kompositionsauftrag

Zum zweiten Mal hat das Mahler Forum in Kooperation mit der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien eine Komposition in Auftrag geben, die bei der Veranstaltung am 7. Juli 2023 uraufgeführt wird.

Basis des Kompositionsauftrags Ode to ... des koreanischen Komponisten Ingi Kim war das Finale zu Beethovens 9. Sinfonie und Friedrich Schillers Text zur Ode An die Freude, der von der Künstlerin und Schriftstellerin Sarah Rinderer neu interpretiert wurde.


Ode to ..., 2023
Ingi Kim (Komposition), Sarah Rinderer (Text)*
für vier Stimmen, Tuba, Schlagwerk, Klavier, Violoncello und Kontrabass
unter der Leitung von Alja Klemenc

* „Der Text verwebt verschiedene Zitate, Stimmen aus der wechselvollen Rezeptionsgeschichte rund um Ludwig van Beethovens Vertonung von Friedrich Schillers An die Freude. Während meiner Recherche hat mich zum Staunen gebracht, wie leicht sich der Text mit seiner ‘großen’ Botschaft der Vergemeinschaftung in unterschiedlichen (politischen) Kontexten zwischen Würdigung und Instrumentalisierung an die jeweils gewünschte Lesart anpassen lässt; welche Risse und Bedeutungslücken sich dadurch auftun. Der Text ist eine Einladung ans Publikum, beim Großen und Erhabenen genau hinzuhören und im Kleingedruckten, im Fußnotensternenzelt nachzulesen.“
Sarah Rinderer


Künstlerische Installation

Lampenfieber
kuratiert von Felicitas Thun-Hohenstein und section.a

Anna Jermolaewa gestaltet die künstlerische Intervention des diesjährigen Mahler Forums für Musik und Gesellschaft. Im Rahmen ihrer Installation Lampenfieber lädt Anna Jermolaewa Pamelia Stickney, eine der renommiertesten Thereminspielerinnen unserer Zeit, zur Zusammenarbeit beim Komponierhäuschen ein.

Ganz im Zeichen des Staunens als gemeinsames Erleben, Erkennen und Reflektieren führt Anna Jermolaewa am 8. Juli die Besucher*innen performativ vom Anfang des Fußwegs in Maiernigg durch den Wald bis zum Komponierhäuschen. Den Weg entlang agiert sie als „Interpreter“ und erzählt die erstaunliche Geschichte des Theremins und seines Erfinders Lew Sergejewitsch Termen, der sich später in den USA Leon Theremin nannte.

Anna Jermolaewa ist fasziniert von der konzeptionellen Schönheit der Entwicklung des Theremins und der komplexen Vita seines Erfinders. Das auch als Ätherophon bekannte Instrument ist das erste, das ohne Berührung gespielt wird. Mit seinen wundersamen Klängen, die wie aus einer anderen Welt zu stammen scheinen, verzaubert es seit seinen Anfängen in den 1920er-Jahren das Publikum.

Das Theremin gilt als Synthesizer-Wegbereiter und wurde auf der ganzen Welt gespielt, von Lenin bis zu Lou Reed. Es funktioniert nach dem Prinzip eines elektromagnetischen Abstandssensors: Die Positionierung und sanfte Bewegung der Hände innerhalb des elektrischen Feldes beeinflussen einen Oszillator. Dabei verschwimmen die einzelnen Noten zu einem wundersamen Gesamtklang, die sphärischen Töne scheinen irgendwo zwischen Geige und Gesang zu flimmern.

Die Geschichte des Theremins und seines russischen Erfinders ist ebenso erstaunlich wie abwegig. Sie führt von Erfindergeist zu musikalischem Welterfolg, von staunendem Publikum und Society-Liebling zur verstörenden Weiterentwicklung der Grundidee des Instruments zu einer Alarmanlage für das berüchtigte Gefängnis Alcatraz im Auftrag des FBI und später zu Abhörwanzen für den KGB.

Bevor die dunklen Seiten seiner Erfindungen Leon Theremin einholten, entwickelte er unter anderem mithilfe der ersten Virtuosin auf dem Instrument – Clara Rockmore – das Theremin musikalisch und technisch weiter. Dazu zählte auch das Terpsiton, das sie in den 1930er-Jahren in New York konstruierten und mit Tänzer*innen testeten. Das Terpsiton ist ein Ganzkörper-Theremin; es wird nicht mehr allein durch die Bewegung der Hände, sondern mit dem ganzen schwingenden Körper gespielt. Dabei können nur mit einer zweiten Person Klangfarbe und Lautstärke reguliert werden.

Das Terpsiton geriet in Vergessenheit, nachdem Leon Theremin keine Tänzer*innen finden konnte, die das Instrument tatsächlich zu spielen vermochten. Es gelang nicht, reproduzierbar harmonische, temperierte Töne hervorzubringen, so schwierig war es, musikalisches Gehör und tänzerische Bewegung in Einklang zu bringen.

Anna Jermolaewa rekonstruiert das Terpsiton in Form einer Bühne mitten im Wald neben dem Komponierhäuschen. Besucher*innen und Wander*innen sind eingeladen, mit den Bewegungen ihrer Körper Töne zu erzeugen und Musik zu „komponieren“.

Am 8. Juli 2023 ist die Bühne im Wald auch Austragungsort der Performance von Pamelia Stickney, einer der renommiertesten Thereminspielerinnen unserer Zeit. Bei ihrem Soloauftritt mit dem Titel Medium: Theremin Orchestra verwebt die Musikerin Komposition und Improvisation unter Verwendung von Live-Loops, in denen sie mehrere Schichten monophoner Stimmen aufbaut und langsam transformiert. Die von ihr geschaffenen Fragmente reichen von schönen, fast vorbarocken Melodielinien bis hin zu abstrakten, verzerrten Geräuschblöcken voller Dissonanzen und polyrhythmischer Komponenten. Als große Verehrerin Mahlers und wissend, dass im Komponierhäuschen viele Kompositionen entstanden sind, bei denen nur das Ergebnis vorliegt, nicht aber der Weg dorthin, möchte Pamelia Stickney in ihrer für das Mahler Forum entwickelten Performance die aufregende Reise des Kompositionsprozesses mit dem Publikum teilen.

Lampenfieber, 2023
Technische Entwicklung: Chris Janka
Technische Programmierung: Chris Veigl
Holz, Licht, Theremin, Antenne, Lautsprecher, Batterie, Solarzelle
Durchmesser: 2 Meter, Höhe: 40 Zentimeter

Die Besucher*innen des Komponierhäuschens und alle Passant*innen sind eingeladen, Lampenfieber von Anna Jermolaewa von Juli bis Oktober 2023 zum Klingen zu bringen.

Als Partner des Mahler Forums zeigt das → kärnten.museum von Juli bis Oktober 2023 die Videoinstallation Singing Revolution von Anna Jermolaewa täglich um 17 Uhr in der center.stage.